Alte Inventarnummern auf einer der 1942 vom Stadtgeschichtlichen Museum überwiesenen Antiken. (Foto: Archäologisches Museum Frankfurt)

Provenienzforschung am Archäologischen Museum Frankfurt

Präsentieren – Bewahren – Forschen

Das Archäologische Museum Frankfurt präsentiert, bewahrt und erforscht die Archäologie und Geschichte der Stadt Frankfurt am Main und ihres Umlandes – vom Paläolithikum bis zur frühen Neuzeit. Es bildet das Archiv für sämtliche Frankfurter Bodenfunde und verfügt darüber hinaus über bedeutende Sammlungen zur Klassischen Antike und zur Archäologie des Alten Orients, die durch Schenkungen und Ankäufe zusammengetragen wurden. In seiner wechselvollen Geschichte war das Museum auch von der nationalsozialistischen Kulturpolitik betroffen.


Provenienzforschung – Rekonstruktion und Veröffentlichung

Die Provenienzforschung befasst sich mit der Herkunft von Kulturgütern und klärt, in wessen Besitz die Objekte zu welcher Zeit waren sowie wann und unter welchen Bedingungen ihre Eigentümer wechselten. Sie ist besonders relevant bei der Erfassung der Sammlungen Klassische Antike und Alter Orient, da ihre Bestände vor allem aus Ankäufen aus dem Kunsthandel und Schenkungen bestehen, so dass die Fundzusammenhänge häufig nicht besonders klar sind. Eine möglichst tiefgehende Erfassung des jeweiligen Objekts bzw. kritische Überprüfung und Ergänzung der vorliegenden Informationen bildet dabei die Grundlage, denn nur durch eine korrekte Bestimmung des Kulturkreises und der Datierung, woraus sich auch eine Einschränkung der möglichen Fundorte oder -gebiete ergibt, ist die eigentliche Provenienzforschung möglich.

Zwischen 2016 und 2018 wurde im Rahmen eines vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Projekts die Herkunft aller Erwerbungen des Museums aus den Jahren 1933 bis 1945 systematisch überprüft. Erste Recherchen in Akten und Zugangsbüchern hatten Hinweise auf möglicherweise belastete Objekte ergeben. Insgesamt wurden 241 Zugänge mit etwa 3334 Einzelobjekten untersucht.

Der Großteil dieser Stücke konnte unbedenklich eingestuft werden. Darunter befinden sich 1207 Funde aus eigenen Ausgrabungen sowie zahlreiche Objekte aus dokumentierten Bodeneingriffen oder Überweisungen anderer Institutionen. Auch die Mehrzahl der Schenkungen und Museumstransfers war nachvollziehbar. Kritisch bewertet wurden jedoch acht griechische Keramiken, die im Kriegsjahr 1942 nach Ankaufsreisen aus dem Kunsthandel in Paris und Athen in die Sammlung gelangten – diese Objekte wurden bereits 1947/48 restituiert. Lediglich zwei Überweisungen aus anderen Sammlungen wurden aufgrund der lückenhaften Dokumentation als möglicherweise bedenklich eingestuft.

Sonderausstellung und Publikation 2018: „Zum Wohle der Stadt?“

ProvenienzAusstellung IMG 20180718 171040 FotoWolfgangDavidDie Ergebnisse des Projekts wurden 2018 in der Publikation „Zum Wohle der Stadt?“ (Schriften des AMF 29) sowie in einer gleichnamigen Sonderausstellung (18. Juli – 2. September 2018) der Öffentlichkeit präsentiert.

ProvenienzAusstellung IMG 20180913 120744 FotoWolfgangDavidAnhand von 23 ausgewählten Objekten, darunter römische Keramiken und Kunsthandelsstücke, wurde die Sammlungspolitik unter Dr. Karl Woelcke (1885–1962), der von 1911 bis 1947 zunächst als Kustos und später als Museumsdirektor für die Archäologischen Sammlungen der Stadt Frankfurt zuständig war, thematisiert – insbesondere auch die geplante Ergänzung des „Museums für heimische Vor- und Frühgeschichte“, welches seit 1937 die Vor- und Frühgeschichte und Römerzeit Frankfurts darstellte, um ein Museum für antike Kleinkunst. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges verhinderte dessen Realisierung.

Weitere Themenschwerpunkte waren Objekte unklarer Herkunft aus der Römerstadt Nida (Frankfurt am Main – Heddernheim/Praunheim) und die Sammlung iranischer Bronzen aus der Sammlung von der Schulenburg.

Fortführung der Provenienzforschung als Bestandteil der täglichen Museumsarbeit

H. Hristov Provenienz AMFAuch nach Abschluss des Projekts zum Zeitraum der nationalsozialistischen Herrschaft (1933–1945) ist Provenienzforschung weiterhin integraler Bestandteil der Museumsarbeit. Dr. Hristomir Hristov widmet sich neben seinen anderen Aufgaben als Kustos der Sammlungen Klassische Antike und Alter Orient des Archäologischen Museums Frankfurt auch der Provenienzforschung für die Zeit vor 1933 und vor allem die Zeit nach 1945 bis zur Gegenwart.

Herr Dr. Hristov fokussiert sich gegenwärtig auf die Erwerbungen nach 1945 – einerseits auf der Suche nach eventuellem sogenanntem sekundärem Raubgut, d. h. nach Objekten, die nach ihrer verfolgungsbedingten Entziehung während der NS-Zeit über mehrere Stationen in die Sammlungen gelangt sein könnten, andererseits aufgrund des illegalen Handels mit Antiquitäten, gegen den bereits 1970 die UNESCO eine entsprechende Konvention verabschiedet hat. Denn bis zum heutigen Tag gelangen archäologische Objekte aus illegalen Raubgrabungen in den Mittelmeerländern oder Mittelamerika sowie aus geplünderten Museen (insbesondere aus den Krisengebieten der vergangenen Jahrzehnte in Syrien, Iraq, und den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens) unter Verschleierung ihrer Herkunft auf den internationalen Kunstmarkt oder werden Museen angeboten.

H. Hristov Provenienz AMF 02Ein aktuelles Beispiel bilden zwei Vasen aus der ehemaligen Sammlung Woelcke, die 2023 dem Archäologischen Museum übergeben wurden: ein ägyptisches Kännchen (Bilbil, sp. 16.–14. Jh. v. Chr., Inv. 2023,06.005) und ein korinthischer Spitzaryballos (2. H. 7. Jh. v. Chr., Inv. 2023,06.003).

Literatur

Dagmar Stutzinger
Zum Wohle der Stadt? Erwerbungen 1933 – 1945
Systematische Provenienzforschung am Archäologischen Museum Frankfurt
(mit einem Beitrag von Liane Giemsch und Michael Overbeck).
Schriften des Archäologischen Museums Frankfurt 29 (Regensburg 2018)

zumwohlederstadt

Liane Giemsch/Michael Overbeck
Fundgeschichten. Systematische Provenienzforschung am Archäologischen Museum Frankfurt.
Provenienz & Forschung, 2/2018, 20–26.

Liane Giemsch/Carsten Wenzel

„Zum Wohle der Stadt?“ – Frankfurter Kulturpolitik des 20. Jahrhunderts im Spiegel der Sammlungen des Archäologischen Museums.
Mitteilungen – Journal des hessischen Mueumsverbandes 56, 2019, 34 – 35

Natascha Bagherpour Kashani
Sammlung von der Schulenburg: Rätselhafte Bronzen.
In: Franziska Kiermeier / Maike Brüggen / Evelyn Brockhoff (Hrsg.), Kulturgüter, Provenienzen und Restitution: Objektgeschichten aus Frankfurter Museen, Sammlungen und Bibliotheken, Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 79 (Frankfurt am Main 2023) 25–34.

Dagmar Stutzinger
Faliskische und latiale Keramik der orientalisierenden Epoche im Archäologischen Museum Frankfurt.
Archäologisches Museum Frankfurt – Publikationen 9 (Frankfurt am Main 2024).

 

 

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